Zupfen wie zu Großmutters Zeiten

Wenn irgendwo Tradition und Moderne zusammentreffen, dann beim „Hopfenzupfen wie zu Großmutters Zeiten“ in Mitterstetten. Die Zupfkunst anno dazumal übt eine ungebrochene Faszination aus.

Reportage von Simone Huber, August 17, 2018
Viel Arbeit – für 50 Pfennige

Bald legt er sich wieder über die Hallertau, der Duft von frisch gepflückten Hopfendolden. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass die Ernte vor der Tür steht. Nicht fehlen durfte am 12.08.18 das „Hopfenzupfen wie zu Großmutters Zeiten“ in Mitterstetten, ein jährliches, sehr gut besuchtes Event des Tourismusverbandes Hallertau. Die 50 Pfennige, die damals ein sogenannter „Mäzen“ – ein 60-Liter-Maß – wert war, mussten sich die Erntearbeiter sauer verdienen. Das Hopfenzupfen per Hand ist allemal mühsam, doch hat es einfach diesen Zauber, der einen in frühere Zeiten zurückversetzt, als man noch ohne technische Hilfsmittel auskommen musste. Hopfenstangler Sepp Goldbrunner ist beim jährlichen Event einer der wichtigsten Männer. „Ohne die Kraft und das Geschick des Hopfenstanglers hätte man gar nicht zupfen können“. Was heute die Abreißgeräte übernehmen, musste man damals nämlich mit einer langen Holzstange vom hohen Draht „herunterstangeln“.

„Ohne die Kraft und das Geschick des Hopfenstanglers hätte man gar nicht zupfen können.“

Sepp Goldbrunner

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Die perfekte Location

Mit dem Anwesen der Wirtsfamilie Kirzinger in Mitterstetten bei Elsendorf hat der Tourismusverband die ideale Location gefunden, um das Arbeiten mit und um den Hopfen vor einigen Jahrzehnten erlebbar zu machen. Vom Hofe Kirzinger ist es nur ein Katzensprung zum Hopfengarten. Den routinierten „Hopfenbrockern“ schauten viele Schaulustige beim händischen Doldenernten über die Schultern. Gezupft wird beim „Retro-Ernten“ traditionell die Frühsorte Nordbrauer. „Die Dolden gehen noch ein bisschen schwer herunter“, sagt Marianne Huber, die schon zum eingefleischten Stamm der Show-Zupfer gehört. Wer wollte, durfte selber Hand anlegen. Das taten sogar die Kinder, eine Altersbegrenzung beim „Hopfenzupfen wie zu Großmutters Zeiten“ gibt es nicht. „Wir freuen uns, dass die Familie Kirzinger die etablierte Veranstaltung weiterführt.

Das Reizvolle am neuen Veranstaltungsort ist die Einbindung in einen Hopfenanbaubetrieb. Das Hopfenzupfen findet – ganz authentisch – im Hopfengarten statt“, erklärt Heidemarie Gmelch, Projektleiterin vom Hopfenland Hallertau Tourismus e.V. Um das Thema Hopfentradition am Standort Mitterstetten abzurunden, muss man wissen, dass Wirtstochter Maria Kirzinger als frisch gekürte Vize-Hopfenkönigin eine ganz eigene, dem Hopfen verschriebene Tradition weiterführen wird.

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Da werden Erinnerungen wach

Ein bekanntes Gesicht, das sich jedes Jahr blicken lässt, ist Kelheims Landrat Martin Neumeyer. „Hopfenzupfen und die guten Maultaschen von Tante Kunigunde“, das weckt Kindheitserinnerungen bei Neumeyer. Obwohl er selbst kein Hallertauer Urgewächs ist, hat er trotzdem einen starken Bezug zur Kulturpflanze. „Hopfen, das ist für mich Heimat, Arbeit, Stolz und dieser besondere Duft und Geschmack!“. Ganz gebannt war er vom Anblick des satten Grüns der Reben, das sich mit dem Weiß-Blau des Himmels verbindet. „Ein Bild für Götter“, schwärmte der Landrat.

Auch sonst stimmte alles. Ein Kinder-Hopfenzupfer-Wettbewerb, Weißwurst-Frühschoppen, bunter Bauernmarkt und eine Maschinenausstellung sorgten für Programm. Am reichhaltigen Speisen-und Getränkeangebot des Wirtshauses Kirzinger stärkten sich nicht nur die fleißigen Hopfenzupfer. Ein besonderes Schmankerl ist dabei das Hopfenzupfermahl: das traditionelle Essen besteht aus Nudelsuppe, Schweinsbraten, gemischtem Kartoffelsalat, dazu eine Halbe Bier oder ein alkoholfreies Getränk. Es wurde den Erntearbeitern früher am Ende der Hopfenzupferzeit vom Bauern spendiert.

„Hopfen, das ist für mich Heimat, Arbeit, Stolz und dieser besondere Duft und Geschmack.“

Martin Neumeyer

Hopfenzupfen wie zu Großmutters Zeiten, Mitterstetten
Es braut sich etwas zusammen…

Im Stadel der Wirtsfamilie steigt inzwischen aus einem dampfenden Kupferkessel gerstiger Geruch auf. Biersommelière Martina Lang wacht über den köchelnden Sud mit Argusaugen. Auf dem Hopfenzupferfest wird nämlich noch eine andere Kunst lebendig: Das Bierbrauen. Es hat wieder Tradition, nachdem es durch die Industrialisierung in Vergessenheit geraten war. Ihr Sud heißt „Karlator“ und ist ein „heller Bock“, ein eigens entwickeltes Starkbier. „Das Bierbrauen ist meine absolute Leidenschaft“, sagt die Hobby-Brauerin. Nun ist das Würzekochen dran. Martina setzt den Hopfen zu, und bestimmt somit auch den Geschmack des Bieres. Ob sie dafür den frischen Kirzinger Hopfen verwendet? „Nein, ich mach es wie alle anderen, ich verwende Pellets.“ Ganz entkommt man der Moderne auch in Mitterstetten nicht.

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Hier die Antworten zu unserem aktuellen Sonntags-Quiz:

  • 1. Die Zutaten laut Reinheitsgebot sind Wasser, Malz, Hopfen und Hefe.
  • 2. Die älteste Brauerei der Welt ist die Bayerische Staatsbrauerei, Weihenstephan, gegründet 1040, dicht gefolgt von der Klosterbrauerei Weltenburg, 1050.
  • 3. Der erste Erlass zum Bierbrauen kam aus Ingolstadt.
  • 4. Den höchsten Bierkonsum findet man derzeit in Tschechien.
  • 5. Bayern hat in Deutschland die meisten Brauereien.